Die am 21. August 2023 lancierte kantonale Gesetzesinitiative «Für einen Mindestlohn» hat zum Ziel, einen obligatorischen Mindestlohn von 23 Franken im Gesetz über die Beschäftigung und den Arbeitsmarkt zu verankern. Der Mindestlohn solle grundsätzlich für alle Personen gelten, die ihre Arbeit im Kanton verrichten, mit Ausnahme von Lernenden, Praktikantinnen und Praktikanten und Jugendlichen unter 18 Jahren. Zudem hätte er Vorrang vor den Mindestlöhnen, die bereits in den Gesamtarbeits- und Normalarbeitsverträgen vorgesehen sind. Der Grosse Rat hatte das Dekret über die Gültigkeit der Initiative am 1. Juli 2024 verabschiedet.
Zu extensive Regulierung
Der Staatsrat ist sich der Problematik der tiefen Löhne bewusst und ist der Ansicht, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Lage sein sollten, ihren Lebensunterhalt mit ihrem Lohn zu bestreiten. Es kann daher nicht angehen, dass der Staat langfristig Löhne der Privatwirtschaft ausgleichen muss, die nicht zur Deckung des Existenzbedarfs ausreichen. Dennoch kann sich der Staatsrat der Gesetzesinitiative «Für einen Mindestlohn» nicht anschliessen. Denn sie ist in mehrfacher Hinsicht riskant, da sie darauf abzielt, Niedriglöhne extensiv zu regulieren.
Ein Mindestlohn von 23 Franken pro Stunde für alle Beschäftigten über 18 Jahren birgt insbesondere die Gefahr, dass die berufliche Eingliederung von jungen Erwachsenen und gering gebildeten Personen beeinträchtigt wird. Zudem greift die Initiative direkt in die Sozialpartnerschaft ein, indem sie dem gesetzlichen Mindestlohn Vorrang vor den Gesamtarbeitsverträgen einräumt. Der Staatsrat ist der Ansicht, dass dieser Vorschlag die Sozialpartnerschaft schwächen würde, die einen der Grundpfeiler der Arbeitswelt darstellt.
Darüber hinaus übergeht die Initiative die Personen, die in einem Programm zur beruflichen Eingliederung beschäftigt sind, z.B. im Asylwesen, bei der Sozialhilfe oder bei der Arbeitslosenversicherung.
Sozialpartnerschaft hat sich bewährt
Der Staatsrat ist der Ansicht, dass das derzeitige System der Lohnverhandlungen im Rahmen von Gesamtarbeitsverträgen am besten geeignet ist, ein hohes Beschäftigungsniveau sowie einen wettbewerbsfähigen Arbeitsmarkt zu gewährleisten. Zudem gibt es wirksame Instrumente zur Bekämpfung von Lohndumping. In einem wirtschaftlichen Umfeld, das von vielen Unsicherheiten geprägt ist, könnte die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns Arbeitsplätze gefährden. Zudem würde ein Mindestlohn die Integration gewisser Personengruppen in den Arbeitsmarkt erschweren, die sich ohnehin schon in einer schwierigen Lage befinden.
Da die Sozialpartner zu keiner Einigung gekommen sind, verzichtet der Staatsrat darauf, dem Grossen Rat einen Gegenvorschlag zur Initiative vorzulegen. Er empfiehlt ihm folglich, die kantonale Gesetzesinitiative «Für einen Mindestlohn» abzulehnen und ihr keinen Gegenvorschlag entgegenzustellen.