Die Musiksammlung aus dem Departement für Musikwissenschaft Freiburg und die Sammlung Pagano-Libretti für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht
Die Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg (KUB) hat in Zusammenarbeit mit dem RISM Digital Center die Musiksammlung aus dem Departement für Musikwissenschaft Freiburg erschlossen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Sammlung umfasst Werke aus vier Jahrhunderten – vom 17. bis zum 20. Jahrhundert – und dokumentiert sowohl die Entwicklung der Musikwissenschaft in Freiburg als auch die zentrale Rolle der Musik in Forschung und Kultur der Region.
Veröffentlicht am 03. Oktober 2025 - 12h56
Ein Projekt in Zusammenarbeit mit dem RISM Digital Center
Ursprünglich in der Bibliothek des Departements für Musikwissenschaft aufbewahrt, wurde die Sammlung vermutlich in den 1960er- oder 1970er-Jahren in die KUB integriert, blieb jedoch über Jahrzehnte weitgehend unerschlossen. Zwischen 2022 und 2025 wurde sie im Rahmen eines gemeinsamen Projekts der KUB und des RISM Digital Center – dem internationalen Quellenlexikon der Musik (https://rism.digital/ ) – systematisch bearbeitet. Das RISM Digital Center ist die zentrale Drehscheibe für digitale Infrastruktur innerhalb der globalen RISM-Gemeinschaft. Es entwickelt und betreut unter anderem die Open-Source-Anwendung Muscat, die weltweit zur Erfassung und Kuration musikalischer Quellen eingesetzt wird. Durch diese Partnerschaft konnte das musikalische Kulturerbe nicht nur lokal gesichert, sondern auch international sichtbar gemacht werden.
Die Erfassung der Sammlung wurde von Lynn Beutler, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei RISM, in Zusammenarbeit mit Florence Sidler (Leiterin der Musikarchive von 2022 bis 2025) und Candice Rey (aktuelle Archivleiterin) durchgeführt.
Ein wegweisendes Erbe
Die Sammlung dokumentiert die Geschichte des Musikwissenschaftlichen Departements der Universität Freiburg, das 1897 mit der Berufung von Peter Wagner auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Musikwissenschaft gegründet wurde. Die Universität Freiburg war damit die erste Hochschule in der Schweiz – und eine der ersten in Europa – mit einem eigenen Lehrstuhl für Musikwissenschaft, noch vor Paris, Berlin oder München. Diese wegweisende Initiative geht auf Georges Python zurück, den Gründer der Universität.
Peter Wagner, der erste Professor und ein ausgewiesener Spezialist für Gregorianischen Gesang, trug wesentlich dazu bei, der Disziplin akademische Anerkennung zu verschaffen. Zahlreiche Stücke der Sammlung, darunter ein zisterziensisches Psalter aus dem 17. Jahrhundert, das in Paris gedruckt wurde, dienten vermutlich als Studienobjekte in Forschung und Lehre.
Eine Vielfalt an Dokumenten und lokalen Persönlichkeiten
Die Musiksammlung aus dem Departement für Musikwissenschaft Freiburg umfasst eine bemerkenswerte Vielfalt an Dokumenten – sowohl gedruckt als auch handschriftlich. Dazu zählen liturgische und weltliche Partituren, Opernauszüge, Lehrdokumente sowie persönliche Notizen und Unterlagen ehemaliger Professorinnen und Professoren des Departements. Im Jahr 2021 wurde der Bestand durch das heutige Departement für Musikwissenschaft mit bisher unveröffentlichten Dokumenten und Fotografien ergänzt (siehe Anhang).
Auch wenn die Herkunft einzelner Partituren nicht eindeutig bestimmt werden konnte, finden sich darin Quellen von Persönlichkeiten, die das musikalische Leben Freiburgs im 19. und 20. Jahrhundert wesentlich geprägt haben – darunter Franz Xaver Zürcher (Kantor an der Kollegiatkirche St. Nikolaus), Jacques Vogt (Komponist und Organist) und Ferdinand Rüegg (Journalist, Historiker, Bibliothekar und Musiker). Diese lokalen Grössen haben ihre Spuren in der Sammlung hinterlassen: sei es durch Besitzvermerke, handschriftliche Abschriften oder signierte Originalkompositionen. Alle genannten Persönlichkeiten sind zudem mit weiteren Beständen der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg verbunden – ein Ausdruck der engen Vernetzung des musikalischen Lebens in Freiburg und der Bedeutung ihrer Archivbestände.
Mit diesem Projekt unterstreicht die Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg ihre zentrale Rolle bei der Erhaltung und Vermittlung des musikalischen und kulturellen Erbes des Kantons.
Beitrag zur Freiburger Musiksammlung des 18. und 19. Jahrhunderts
Dieses Projekt steht in direktem Zusammenhang mit der Erschliessung des Bestands „EBAZ“, die zwischen 2018 und 2021 durchgeführt wurde (https://fri-memoria.bcu-fribourg.ch/index.php/collection-musicale-fribourgeoise-xviiie-et-xixe-siecles ). Der EBAZ-Bestand ist der Freiburger Musiksammlung des 18. und 19. Jahrhunderts gewidmet und enthält zahlreiche historische Musikquellen aus dieser Zeit.
Die Sammlung aus dem Departement für Musikwissenschaft ergänzt diesen Bestand um wichtige Dokumente, die bisher fehlten – zum Beispiel unvollständige Stimmen einzelner Musikstücke, sei es für Gesang oder Instrumente. Die systematische Erschliessung der Archive des Departements stellt somit den Abschluss dieses früheren Projekts dar und erweitert das musikalische Erbe Freiburgs um wertvolle Quellen.
Online-Veröffentlichung und Zugänglichkeit
Dank dem von RISM entwickelten Software-Tool Muscat sind die Notizen der Sammlung nun über RISM Online (https://rism.online/ ), der internationalen Referenzdatenbank, zugänglich. Das vollständige Inventar ist zudem auf der Plattform Fri-Memoria (https://fri-memoria.bcu-fribourg.ch/ ) einsehbar, die die Kultursammlungen der KUB verzeichnet.
Mit diesem Projekt unterstreicht die Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg ihre zentrale Rolle bei der Erhaltung und Vermittlung des musikalischen und kulturellen Erbes des Kantons. Die Bereitstellung dieser Sammlung bietet Forscherinnen und Forschern, Interpretinnen und Interpreten sowie interessierten Personen die Möglichkeit, in die Vielfalt der Quellen einzutauchen – in denen die Musik der Vergangenheit noch immer widerhallt.
Collezione di libretti Pagano
Die Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg präsentiert ebenfalls den Abschluss der Inventarisierungs- und Aufwertungsarbeiten der Collezione di libretti Pagano, die im Jahr 2021 erworben wurde. Diese Auswahl an Libretti wurde zu Lebzeiten von Roberto Pagano (1930-2015) zusammengetragen, der Cembalist und Musikwissenschaftler aus Palermo auf Sizilien (Italien) war.
Roberto Pagano, der sich auf Alessandro Scarlatti, den sogenannten "italienischen Orpheus", und dessen Sohn Domenico spezialisiert hatte, war ein Kenner der musikalischen Aktivitäten in Palermo und auf Sizilien im 17. und 18. Jahrhundert, erklärt Andrea Garavaglia, Professor am Institut für Musikwissenschaft der Universität Freiburg. Seine Sammlung umfasst gedruckte und handschriftliche Libretti aus dieser Zeit. Aber auch Opern und geistliche Dramen, die in ganz Italien aufgeführt wurden, mit einem bedeutenden Bestand an Exemplaren, die mit Aufführungen in Sizilien in Verbindung stehen.
Zudem besteht die Sammlung, die derzeit in der Kantons- und Universitätsbibliothek aufbewahrt wird, aus zahlreichen "unica", die die Besonderheit aufweisen, dass es sich um die einzigen Exemplare handelt, die derzeit weltweit erfasst sind.
Nur fünf Opernlibretti aus der Pagano-Sammlung waren in I libretti italiani a stampa dalle origini al 1800, dem berühmten Katalog von Claudio Sartori, verzeichnet. Alle anderen Werke waren unbekannt, bis auf diejenigen von Musikwissenschaftlern aus dem engen Kreis von Roberto Pagano. Zudem besteht die Sammlung, die derzeit in der Kantons- und Universitätsbibliothek aufbewahrt wird, aus zahlreichen "unica", die die Besonderheit aufweisen, dass es sich um die einzigen Exemplare handelt, die derzeit weltweit erfasst sind.
Der Bestand Pagano umfasst über fünfzig Opernlibretti sowie rund siebzig Libretti von Oratorien und geistlichen Musikdramen. Ergänzt wird die Sammlung durch etwa dreissig poetische, theatrale oder lobende Texte, die häufig in thematischen Sammelbänden zusammengefasst sind – geordnet nach Genre, Theatersaison, Aufführungsort oder geografischem Kontext.
Aufgrund ihres Umfangs gilt die Pagano-Sammlung als die bedeutendste Sammlung italienischer Libretti aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die heute in der Schweiz erhalten ist. Besonders hervorzuheben ist, dass sie als einzige vollständig online zugänglich ist.
Rettung der Sammlung
Warum ist diese Sammlung nach Freiburg gekommen, würden Sie fragen? Andrea Garavaglia erinnert sich an die Umstände der Übernahme. "Nach dem Tod von Roberto Pagano hat Anna Tedesco, Professorin für Musikwissenschaft an der Universität Palermo, alles versucht, um einerseits die Erben davon zu überzeugen, diese Sammlung einer italienischen Kulturinstitution zu vermachen, und andererseits italienische Bibliotheken zum Kauf zu bewegen – leider erfolglos.“
Man stelle sich die Überraschung des Freiburger Musikwissenschaftlers vor, als einer seiner SNF Mitarbeitenden, Nicola Usula, entdeckte, dass die Libretti der Sammlung Pagano seit einem Jahr auf der Verkaufsseite von Ebay.com angeboten wurden – von einer Buchhandlung in Modena!
Nur ein gemeinsamer Kauf der Universität Freiburg und der BCU konnte die Hälfte der Sammlung vor der Zerstreuung retten, die noch nicht verkauft worden war.
Andrea Garavaglia
„Mir wurde bewusst, dass die kulturellen Institutionen Siziliens nicht über die nötigen Mittel für einen solchen Erwerb verfügten“, erinnert sich Andrea Garavaglia. „Nur ein gemeinsamer Kauf der Universität Freiburg und der BCU konnte die Hälfte der Sammlung vor der Zerstreuung retten, die noch nicht verkauft worden war.“
Die Ausfuhr dieses aussergewöhnlichen Bestands erforderte die Genehmigung des italienischen Kulturministeriums. Da die zuständige Behörde – die Soprintendenza dei beni librari e archivistici – selbst keine finanziellen Mittel für den Erwerb hatte, stimmte sie dem Vorschlag aus Freiburg zu. Voraussetzung war jedoch, dass die Sammlung fachgerecht erhalten und wissenschaftlich erschlossen wird. Dieses erfolgreiche Vorhaben wird heute mit der Online-Veröffentlichung der Collezione di libretti Pagano auf der Plattform Fri-Memoria gefeiert (https://fri-memoria.bcu-fribourg.ch/ ).
Herausgegeben von Kantons- und Universitätsbibliothek
Letzte Änderung: 17.10.2025 - 09h22