Zur Stratigrafie und Sedimentologie
Bereits kann ein erster zusammenfassender Überblick über die Sedimentologie der Fundstelle vorgelegt werden. Es lassen sich drei grosse Sedimenteinheiten unterscheiden:
- Der Untergrund der Auffüllung besteht aus mächtigen und relativ gut sortierten Schwemmschichten. Sie können eine Mächtigkeit von bis 1,50 m erreichen. Diese Zeugen eines ehemaligen, einst sehr aktiven Bachbetts der Saane bilden eine relativ stabile Sockelzone.
- Darüber erstreckt sich eine Abfolge von offensichtlich alluvialen, deutlich feinkörnigeren Sedimenten, die eine Mächtigkeit von ungefähr einem Meter erreichen. Zwischen diesen Flussablagerungen finden sich menschliche Besiedlungsspuren in Form von Linsen, die mit Holzkohlesplitter durchsetzt sind, und Horizonte mit vielen Frostverwitterungen.
- Ab einer Höhe von 581,50 m spielt die Saane in der Sedimentdynamik des Abris offensichtlich keine Rolle mehr; nun ist die Verwitterung der Felswand ausschlaggebend. Die relevanten menschlichen Hinterlassenschaften konzentrieren sich auf diese dritte Sedimentabfolge. Die Besiedlungsspuren sind regelmässig durch frostbedingte Abbrüche der umgebenden Molassefelswand voneinander getrennt.
Die Steinindustrie
Ende 2010 belief sich die Gesamtzahl der Artefakte nach insgesamt acht Grabungskampagnen und mehreren Jahren Oberflächenprospektion am Fusse des Abris auf 18'786 Stück. Wegen dieser Fundmenge handelt es sich beim Abri von Arconciel um die bislang fundreichste mesolithische Stelle des Kantons Freiburg.
Ein wichtiger Platz in der lithischen Industrie nimmt die Verarbeitung von lokalem Steinmaterial ein (Radiolarit 37%; feinkörniger Quarzit 29%; aus der Moräne stammender Silex 22%), was der gängigen Rohstoffwirtschaft der ansässigen mesolithischen Bevölkerung entspricht.
Einige hauptsächlich aus dem Nordjura stammende Silexsteine wie auch zirka 40 Stück Bergkristall belegen die Verbreitung von Kieselgestein in einem Umkreis von zirka hundert Kilometern.
Zu den wichtigsten Gerätekategorien gehören die Kratzer (353 Stück), die ausgesplitterten Stücke (120 Stück) und die Geschossspitzen (93 Stück). Unter den erwähnenswerten Exemplaren befindet sich unter anderem ein „Prototyp“ eines Wurfpfeils mit konkaver Basis, dessen Grösse noch stark an die Mikrolithen erinnert und der nach Auskunft der Radiokarbondatierung der Schicht 2A (5800-5640 BC) ins erste Drittel des 6. Jahrtausends datiert.
Fauna: Industrie und Schmuck
Trotz der sehr grossen Menge an tierischem Material machen beim gegenwärtigen Forschungsstand Geräte aus Knochen nur einen geringen Prozentsatz des Fundmaterials aus. Der bemerkenswert gute Erhaltungszustand der tierischen Hartteile verspricht dennoch gute Aussichten auf dieses Forschungsgebiet. Die Knochen der Wirbeltiere gehören grösstenteils zu Hirsch und Wildschwein; Tiere, die zu der wichtigsten Jagdbeute dieser Zeit zählen. Die starke Fragmentierung - das Gewicht pro Individuum beträgt in der Regel kaum ein Zehntel Gramm - , und die wahrscheinliche Verwendung der Knochenreste als Brennmaterial erschweren die Bestimmung der meisten Stücke. Die zeilweise zu Schmuckelementen oder Geräten verarbeiteten Cerviden-Zähne und Wildschwein-Stosszähne belegen zusammen mit den Funden von Hirschgeweih und Langknochen die Dominanz dieser beiden Wildtiergattungen im Artenspektrum.
Die Knochenartefakte umfassen bislang drei Knochenspitzen, die wahrscheinlich aus den Hirschlangknochen hergestellt wurden, einen zu einem Schaber umgearbeiteten Stosszahn eines Wildschweins und zwei durchbohrte Hirschgrandeln. Das Vorhandensein von Knochenspitzen zeugt noch von der einstigen Bedeutung, die den tierischen Rohstoffen bei der vielfältigen mesolithischen Geräteherstellung zuerkannt wurde.
Die Pintadera
Die «Pintadera» oder der älteste künstlerische Ausdruck aus Ton in unserer Region.
Dieses aus Ton hergestellte Objekt kam während der Grabungskampagne 2006 zum Vorschein. Seine leicht konvex gebogene Oberseite ist mit einem flächigen Dekor versehen, das aus mehreren parallelen Reihen von punktförmigen Eindrücken besteht. Je nach Reihe variiert die Anzahl der Eindrücke zwischen drei und fünf. Der in Arconciel entdeckte Gegenstand kann als das älteste mesolithische Tonobjekt in ganz Zentral- und Westeuropa angesprochen werden. Aufgrund seiner Form und der Verzierung ist er mit den «Pintaderas» oder den Tonstempeln vergleichbar, die aus zahlreichen neolithischen Fundzusammenhängen in Südost-, Zentral- und Südeuropa bekannt sind. Oft wird den Gegenständen eine praktische (Verwendung bei der Körperbemalung oder der Verzierung von Textilien), aber auch eine kultische Funktion zugesprochen. Die ersten Tonstempel erscheinen in der zweiten Hälfte des 7. Jahrtausends im Südbalkan.
Mehrere Radiokarbondatierungen von Holzkohleproben aus den archäologischen Haupthorizonten des Abris erlauben, das Tonobjekt zeitliche auf 6220-6010 v.Chr. einzugrenzen.
Datierungen
Gegenwärtig stehen uns 13 Radiokarbondatierungen zur Verfügung (Grabungskampagnen 2001-2010). Auch wenn uns diese erste Datierungsserie einige Bezugspunkte liefert, so ist die Auswertung von neuen Proben unabdingbar, will man eine durch Einzeldaten hervorgerufene Verfälschungen vermeiden.
Die Datierung anhand von Knochenproben bereitete uns dagegen einige Probleme. Drei der vier Versuche anhand von Knochenmaterial zu datieren, stellten sich als Misserfolg heraus. Einzig eine Probe der Knochens Nr. 16 hat ein 14C-Datum geliefert. Diese ersten Ergebnisse haben uns veranlasst, in Zukunft der Analyse von Holzkohle und Pflanzenresten (Haselnüsse, verkohlte Körner usw.), die wenn möglich aus geschlossenen Kontexten stammen, den Vorzug zu geben. Auch muss der Qualität der beprobten Kohle (Splintholz, Astholz usw.) mehr Beachtung geschenkt werden.
Mit einer Ausnahme, die ins 17. Jahrhundert n.Chr. weist, reichen die erhaltenen Daten alle in die Periode des Jung- und Endmesolithikums zurück. Sie sind mit den chrono-typologischen Elementen, welche die Fundstelle bislang geliefert hat, vollständig in Einklang zu bringen.
Beim aktuellen Forschungsstand können die ermittelten Daten in drei Gruppen untergliedert werden:
- VERA- 2904 und Ua-39063 erlauben die ältesten Begehungsspuren des Abris von Arconciel in das zweite Viertel des 7. Jahrtausends zu setzen.
- Ua-33243, Ua-32546, Ua-23586, Ua-37284, VERA-2906, Ua-37283 und Ua-37285 stellen das grösste Datenpaket dar. Die Serie zeigt ein Kontinuum, das sich über einen Zeitraum von ungefähr sieben Jahrhunderte (6200 und 5500 BC cal.) erstreckt. Während dieser Phase hat der Abri offensichtlich eine grosse Anziehung auf die Jäger- und Sammlergemeinschaften der zweiten Hälfte des Mesolithikums ausgeübt.
- Ua-23349 und Ua-35284 bilden schlussendlich die jüngste Gruppe innerhalb unserer Radiokarbondatenserie für das Mesolithikum. Rund drei Jahrhunderte trennen sie vom jüngsten Datum der letzten Gruppe. Die Daten fallen in den Übergang vom 5. zum 4 Jahrtausend.
Makroreste
Angesichts des Zeitraums vom 7. bis zum 6. Jahrtausend, den die Fundstelle von Arconciel abdeckt, erscheint es gerechtfertigt, die Frage nach dem Neolithisierungsprozess in unserer Region anhand neuer archäobotanischer Daten wieder aufzurollen.
Die von Danièle Martinoli und Stefanie Jacomet (Universität Basel, Institut für Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie) im Jahre 2007, und von Patricia Vandorpe (Universität Basel, Institut für Prähistorische und Naturwissenschaftliche Archäologie) im Jahre 2008 durchgeführten Untersuchungen lieferten verkohlte und angekohlte Pflanzenreste, zahlreiche unverbrannte botanische Reste, Knochen, Fischschuppen, Insekten und Mollusken.
Dabei konnten folgende Pflanzenarten identifiziert werden: Wildhafer (Avena sp.), gemeiner Rainkohl (cf. Lapsana communis), Gänsefuss (Chenopodium sp.), Hülsenfrüchte (Fabaceae), Süssgräser (Poaceae), schwarzer Nachtschatten (Solanum sp., wahrscheinlich Solanum nigrum), eine Diaspore einer Hülsenfrucht des Typs Trifolium (Trifoliae) und zwei Mistelkörner (Viscum album). Unter den Nüssen und Früchten sind Haselnuss (Corylus avellana), Eichel (cf Quercus sp.), gemeiner Wacholder (Juniperus communis), Apfel oder Birne (Malus/Pyrus), Himbeere (Rubus idaeus), Schwarzer Holunder oder Traubenholunder (Sambucus nigra/racemosa) und Winterlinde (Tilia cordata) vertreten. Es handelt sich um Nahrungs- oder Heilpflanzen, die gesammelt und ohne weitere Verarbeitung konsumiert werden konnten.
Hervorzuheben sind auch die Funde von Fischschuppen und verkohltem Mäusekot. Der Verzehr von Fisch ist aufgrund der Nähe zur Saane nicht weiter erstaunlich. Die verkohlten Fäkalien von Mäusen könnten hingegen für eine Vorratshaltung von Nahrungspflanzen sprechen.