Kanton

Samstag 31. Januar 2004, Kanton


Verfassungsentwurf abstimmungsbereit
Am 16. Mai hat das Volk das letzte Wort
Mit 97 zu 21 Stimmen und zwei Enthaltungen hat der Verfassungsrat den von ihm in den vergangenen vier Jahren ausgearbeiteten Entwurf definitiv gutgeheissen. Mit Ausnahme der SVP beantragen alle Fraktionen dem Stimmvolk, dem Vorschlag als Gesamtwerk zuzustimmen.
Von WALTER BUCHS
Der Verfassungsrat hat am Freitagvormittag eine letzte Sitzung abgehalten, um insbesondere die Schlussabstimmung über den Verfassungsentwurf durchzuführen. Vorher gaben die Fraktionssprecher ihre Stellungnahmen ab. Es war der Vormittag des Dankes und der Anerkennung für die grosse Arbeit, die geleistet worden war. Mit Genugtuung wurde festgestellt, dass die Arbeit in allen Gremium konstruktiv und bereichernd war.
Sprachenfrage verschieden gewertet
Laurent Schneuwly (CVP, Freiburg) hob hervor, dass seine Fraktion eine aktive Vermittlerrolle gespielt habe. Sie werde diesen «echten Kompromiss» in der Abstimmung unterstützen. Er wertet es als positiv, dass das «Territorialitätsprinzip», welches den Gebrauch der Amtssprachen regelt, auch in der neuen Verfassung enthalten ist. Für die Mehrheit der Fraktion sei dies ein Verbindungspunkt und nicht ein Element der Abtrennung.
Für die CSP ist der Sprachenartikel hingegen aus zwei Gründen unbefriedigend. Das Territorialitätsprinzip werde die Sprachgemeinschaften weiterhin nicht integrieren, sondern separieren, auch wenn die Erwähnung der gemischtsprachigen Gemeinden ein Fortschritt ist, stellte Fraktionschef Peter Jaeggi, Schmitten, fest. Es werde insbesondere bedauert, dass nicht ausdrücklich festgehalten ist, dass der Kanton Freiburg ein zweisprachiger Kanton ist. Dann fuhr Jaeggi fort: «Eine grosse Chance der echten Brückenfunktion und der stärkeren kulturellen und wirtschaftlichen Integration über die Saane hinweg ist vertan. Da nützt es auch nichts, wenn Politiker immer wieder von dieser Brückenfunktion sprechen.»
Auch wenn es weitere Punkte gibt, welche die CSP vermisst oder ablehnt, anerkennt sie die neue Verfassung als ein gutes Werk und stimmt ihr «als mehrheitsfähiges Gesamtwerk» zu. Der Kanton werde eine moderne und verständliche Verfassung bekommen, die von altem Ballast befreit ist.
Fehlen von Varianten bedauert
Von Seiten der Fraktionen Bürgerliste, Öffnung und SP wurde betont, dass der Entwurf die Unterstützung des Stimmvolkes verdient. Es könne zwar niemand behaupten, dass er in allen Punkten zufrieden ist. Doch das Projekt sei in einem fairen demokratischen Prozess entstanden. Auch für die FDP überwiegen die positiven Punkte. «Diese wollen wir den künftigen Generationen nicht vorenthalten, weshalb wir den Entwurf trotz anfänglichem Zögern unterstützen,» gab Denis Boivin, Freiburg, bekannt. Er drückte aber sein Bedauern darüber aus, dass sich das Plenum nicht mindestens für eine Variante ausgesprochen hat.
Die Ablehnung des Antrags für Varianten am vergangenen 16. Januar «ist für die SVP die herbeste Enttäuschung der ganzen Arbeit», gestand Fraktionschef Ueli Johner, Kerzers. Bei der Grundsatzabstimmung über die Totalrevision der Kantonsverfassung im Juni 1999 habe das Stimmvolk mit 76,5 Prozent Ja-Stimmen eine Vorlage mit Varianten befürwortet. Eine solche Politik, die den Volkswillen missachtet, könne die SVP nicht unterstützen, weshalb die Fraktion im Einvernehmen mit der kantonalen Parteileitung zum Verfassungsentwurf «Nein, so nicht» sage. Bei der Wahl von Varianten wäre hingegen die Zustimmung zum Ganzen drin gelegen.
Angstfreie Haltung vermisst
Unmittelbar vor der Schlussabstimmung gaben 21 Ratsmitglieder noch persönliche Voten ab, von denen sich elf explizit für und sechs gegen den Vorentwurf aussprachen. Josef Vaucher (SP, Tafers) machte darauf aufmerksam, dass die Verfassung eines zweisprachigen Kantons eigentlich die Anliegen beider Sprachgemeinschaften berücksichtigen sollte. Dies sei nicht der Fall, weshalb er nicht zustimmen könne. Das Misstrauen, das in diesem Kontext immer noch vorherrsche, habe ihn enttäuscht.
Demgegenüber vertrat Raphael Chollet (Öffnung, Belfaux) die Meinung, dass der Kanton gar keinen neuen Sprachenartikel brauche, denn der geltende sei erst 13 Jahre alt. Vielmehr sollte die Regierung längst ein Sprachengesetz vorlegen. Die Tatsache, dass der neue Artikel gemischtsprachige Gemeinden vorsieht und den Kanton zur Förderung der Zweisprachigkeit verpflichtet, ist für Chollet eine Gefahr für den Sprachenfrieden, weshalb er den Entwurf ablehnt.
Moritz Boschung (CVP, Düdingen) stellte fest, dass der Entwurf einen «unklaren und sprachlich schwerfälligen Sprachenartikel» enthalte. Es sei aber auch anzuerkennen, dass die jetzige Version im Vergleich zur bisherigen einen Fortschritt darstelle. Die Umsetzung der positiven Aspekte müsse sich jetzt in der Praxis bewähren, weshalb er dem Verfassungsentwurf gesamthaft zustimme. Hiezu hielt er aber unter anderem auch Folgendes fest: «Das Territorialitätsprinzip darf nicht wegen einseitiger Auslegung zum Bremsklotz werden beim Finden von praxisbezogenen Lösungen in der Schule, im Gerichtswesen und in der Verwaltung.»
Enttäuschung und Genugtuung
Anton Brülhart (CVP, Düdingen) erinnerte daran, dass der Gesetzgeber bei der Umsetzung des interkantonalen Finanzausgleichs «wirksame Massnahmen für besonders benachteiligte Berggemeinden festsetzen» solle, um dieser «Bevölkerung endlich normale Lebensbedingungen zu ermöglichen». Der entsprechende Grundsatz sei im Verfassungsrat nämlich kaum bestritten gewesen. Aus Gründen der Systematik habe man aber auf eine ausdrückliche Erwähnung in der Verfassung verzichtet und auf das künftige Gesetz verwiesen.
Für Katharina Thalmann-Bolz (SVP, Murten) ist das Fehlen von Varianten mit ein Grund, dem Entwurf die Zustimmung zu verweigern. Auch Katharina Hürlimann (FDP, Murten) vermisst eine Abstimmung mit Varianten. Im Interesse des Gesamtwohls stimmte sie aber dem Entwurf als Ganzes zu, dies im Gegensatz zu ihrem Parteikollegen Martin Ott (St. Antoni). Für ihn werden beispielsweise über die vorgeschlagene kantonale Mutterschafts-Versicherung wieder öffentliche Mittel im Giesskannenprinzip verteilt, und hiezu habe der Kanton das Geld nicht.


Wette gewonnen
Zum Abschluss der Arbeit ergriff am Freitagvormittag ausnahmsweise ein Mitglied der Kantonsregierung das Wort im Verfassungsrat. Staatsrat Pascal Corminboeuf stellte dabei fest, dass es der Verfassung gebenden Behörde hoch anzurechnen ist, dass sie den Zeitplan einhalten konnte. Verschiedentlich seien nämlich ernsthafte Zweifel geäussert worden, ob im Frühjahr 2004 tatsächlich ein Verfassungsentwurf vorliegen werde. Um im Hinblick auf die Volksabstimmung Überzeugungsarbeit zu leisten, sei jetzt gute Kommunikation vonnöten. Der Staatsrat, der die neue Verfassung zur Legislaturpriorität erklärt hatte, werde sich in Kürze zum Entwurf äussern.
Verfassungsratspräsident Adolphe Gremaud stellte zum Schluss der gestrigen Sitzung fest, dass der Vorschlag kohärent und modern sei sowie der politischen Kultur des Kantons Rechnung trage. «Wir können ihn mit einer gewissen Befriedigung und auch mit Vertrauen dem Volk unterbreiten, aber auch mit Stolz, den Auftrag erfüllt zu haben,» hielt der Präsident fest. Adolphe Gremaud gab im Weiteren bekannt, dass sich der Verfassungsrat, wenn der Entwurf an der Volksabstimmung gutgeheissen werde, am 18. Juni zu einer letzten Sitzung zusammenfinden werde. Bei einem negativen Abstimmungsausgang hat der Verfassungsrat innert zwei Jahren einen zweiten Entwurf auszuarbeiten. wb


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