Kanton

Samstag 31. Januar 2004, Kanton


Zu wenig konsequent

Von WALTER BUCHS

Nun liegt er also vor, der Entwurf für eine neue Staatsverfassung. Bevor die Kampagne im Hinblick auf die Volksabstimmung gestartet wird, sei eines vorweggenommen: Niemand kann und darf erwarten, dass ein solches Dokument auf seine Anliegen, Bedürfnisse und Ansichten massgeschneidert ist. Jeder und jede wird somit im Verfassungsentwurf verschiedene Bestimmungen finden, die ihm/ihr nicht passen. Die Frage ist nur: Ist dies wichtig genug, um das Ganze abzulehnen?

Wer in den vergangenen vier Jahren den ganzen Meinungsbildungsprozess im Verfassungsrat, in den Kommissionen und im Umfeld der öffentlichen Vernehmlassung mitverfolgt hat, darf Folgendes festhalten: Das Gesamtwerk ist breit abgestützt, auf demokratische Art und Weise zustande gekommen und im Grossen und Ganzen auf die sozio-kulturelle Situation des Kantons und seiner Bevölkerung zugeschnitten.

In der letzten Phase der Ausarbeitung des Entwurfs haben sich die Verantwortlichen der einzelnen Fraktionen zudem zusammengerauft. Das Ergebnis war Kompromisse zu verschiedenen strittigen Punkten mit dem Ziel, dem Volk einen für die Mehrheit akzeptablen Entwurf vorzulegen. Das Resultat lässt sich sehen. Der Wille, sich im Interesse des Ganzen zu finden, war stärker als stures Festhalten an Forderungen, die zu Beginn der Arbeit noch als nahezu unverhandelbar dargestellt wurden.

Ob das reicht, um am 16. Mai einen positiven Ausgang der Volksabstimmung zu erreichen, wird sich zeigen. Jedenfalls kann man mit guten Gründen annehmen, dass der Verfassungsrat die Chance für einen positiven Ausgang der Volksabstimmung noch hätte verbessern können, wenn er zu zwei, drei strittigen Punkten dem Volk zwei mögliche Lösungen vorgelegt hätte (Varianten).

Eine Mehrheit des Verfassungsrates hat leider diese Möglichkeit abgelehnt, mit dem Vorwand, dass dieses Vorgehen Ausdruck der Unentschlossenheit des Plenums sei und die Addition von Nein-Stimmen aus verschiedenen Lagern eine unheilvolle Wirkung hätte haben können. Es dürfte aber eher das Gegenteil der Fall sein: Wer zum einen oder anderen strittigen Punkt aus zwei möglichen Lösungen wählen könnte, wäre eher bereit, zum Ganzen Ja zu sagen. Jetzt besteht genau die Gefahr, dass sich die Nein-Stimmen verschiedener Lager summieren werden. Mit der Ablehnung von Varianten wurde somit eine Möglichkeit verpasst, dem Volk bei diesem eminent wichtigen Entscheid noch etwas mehr Mitsprache einzuräumen.



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