Kanton

Mittwoch 12. November 2003, Kanton


Treten an Ort in der Sprachenfrage
Mehrheit des Verfassungsrates will am Territorialitätsprinzip unbedingt festhalten
Der Verfassungsrat hat am Dienstag die Bestimmungen zur Sprachenfrage, so wie er sie in der 1. Lesung verabschiedet hat, im Wesentlichen bestätigt. Sie werden aber neu auf Vorschlag der CVP nicht auf zwei Artikel verteilt, sondern in einem einzigen zusammengefasst.
Von WALTER BUCHS
Im Vorentwurf für eine neue Freiburger Verfassung wird die Sprachenfrage in zwei Hauptartikeln behandelt. Beim einen geht es um die Zweisprachigkeit und deren Förderung und beim zweiten um die Amtssprachen und deren Gebrauch. Im Hinblick auf die 2. Lesung des Entwurfs, mit dem der Verfassungsrat gestern Nachmittag begonnen hat, hatte die zuständige Kommission lediglich zwei Retouchen vorgeschlagen, um Bemerkungen der in der Zwischenzeit durchgeführten Vernehmlassung Rechnung zu tragen.
Minderheitsanträge haben schweren Stand
Hingegen wurden aus der Mitte der Kommission drei Minderheitsanträge eingebracht. Bei zwei Vorschlägen ging es darum, auf die ausdrückliche Erwähnung des Territorialitätsprinzips, wie sie in 1. Lesung entgegen dem Kommissionsantrag beschlossen wurde, wieder zu verzichten, die anderen Formulierungen aber beizubehalten. Monika Bürge-Leu (CVP, Wünnewil) stellte fest, dass der erwähnte Grundsatz, der in den vergangenen Jahren im Kanton nur Probleme geschaffen habe, weder in der Bundesverfassung noch im Grundgesetz irgend eines anderen Kantons verwendet werde.
Patrik Gruber (SP, Düdingen) gab zu bedenken, dass die Formulierung aus der 1. Lesung ein Kompromiss war, an dem man jetzt festhalten sollte. Wenn für die französischsprachige Seite die ausdrückliche Erwähnung des Begriffs «Territorialitätsprinzip», so wichtig sei, wie es die Diskussion in den vergangenen Monaten gezeigt habe, dann solle man ihn halt nennen. Für Félicien Morel (Öffnung, Belfaux) handelt es sich nicht um ein negatives Prinzip, sondern es diene gerade der Integration. Aufgrund der Erfahrungen, die man seit seiner Einführung in die Freiburger Verfassung 1990 gemacht hat, wurde dies aber von Josef Vaucher (SP, Tafers) bestritten. In der Abstimmung wurden dann die Minderheitsanträge abgelehnt.
Gekürzte Fassungen
Als Gegenvorschlag zu den Anträgen der Kommission wurden drei Vorschläge eingebracht, welche die Bestimmungen zur Sprachefrage in einem einzigen - und nicht in zwei - Artikel zusammenfassten. Als «echte Alternative» bezeichnete Moritz Boschung-Vonlanthen (CVP, Düdingen) seinen Vorschlag. Seine Absicht sei es, eine «lesbare, verständliche und offene» Formulierung einzubringen. Bewusst hat er somit auf Begriffe wie «herkömmliche sprachliche Zusammensetzung» oder «angestammte sprachliche Minderheit» oder auch «Zweisprachigkeit» verzichtet. Präsidentin Bernadette Hänni (SP, Murten) stellte fest, dass diese Formulierung der ursprünglichen Idee der Kommission sehr nahe komme.
Die von den Fraktionen CVP und Öffnung eingereichten Vorschläge übernahmen weitgehend die Formulierung, wie sie der Staatsrat in der Vernehmlassung eingebracht hatte. Im Gegensatz zum Text der CVP fordert jener der Gruppe Öffnung explizit, dass in einem Gesetz geregelt wird, wie das Territorialitätsprinzip anzuwenden ist. Hiezu machte Bernadette Hänni darauf aufmerksam, dass aus vielen Reaktionen klar ersichtlich sei, dass eine grosse Mehrheit kein solches Gesetz wolle. In mehreren Schritten wurde dann über die einzelnen Anträge abgestimmt, wobei sich am Schluss der CVP-Vorschlag durchsetzte - mit 72:37 Stimmen auch gegen den Vorentwurf der Kommission.
Begriff «Zweisprachigkeit» blieb auf der Strecke
Der nun am Dienstag in 2. Lesung angenommene Sprachenartikel übernimmt in einem einzigen Artikel praktisch alle Elemente, die im Vorentwurf enthalten waren (siehe Kasten). Einzige gewichtige Ausnahme ist, dass nicht mehr explizit von der Zweisprachigkeit gesprochen wird. Aus vielen Bemerkungen, namentlich auch im Rahmen der Vernehmlassung, ging hervor, dass auch dieser Begriff sehr unterschiedlich ausgelegt wird. So vertrat Félicien Morel auch gestern die Meinung, dass ein Kanton gar nicht zweisprachig sein könne.
Claudine Brohy (Offene Liste, Freiburg) bedauerte, dass auch beim Staatsrat eine Begriffsverwirrung bestehe, da er nicht zwischen einer institutionellen und einer individuellen Zweisprachigkeit unterscheide. Nichtsdestotrotz sei die Zweisprachigkeit ein Bestandteil der Identität des Kantons und dies sollte in der Verfassung auch so gesagt werden. Kommissionspräsidentin Hänni machte ebenfalls darauf aufmerksam, dass aus den Vernehmlassungsergebnissen hervorgehe, dass die Bevölkerung die Zweisprachigkeit als sehr wichtig betrachte. Anton Brülhart (CVP, Düdingen) stellte fest, dass der Begriff in deutscher Sprache keine Probleme mache. Offenbar sei das in französischer Sprache anders, weshalb er anregte, am Gedanken festzuhalten, ihn aber auf Französisch anders zu formulieren.




Ergebnis 2. Lesung: Sprachenartikel
1 Französisch und Deutsch sind die Amtssprachen.
2Ihr Gebrauch wird in Achtung des Territorialitätsprinzips geregelt. Staat und Gemeinden achten auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der Gebiete und nehmen Rücksicht auf die angestammten sprachlichen Minderheiten.
3 Französisch ist die Amtssprache der französischsprachigen Gemeinden; Deutsch ist die Amtssprache der deutschsprachigen Gemeinden. In den Gemeinden mit einer bedeutenden angestammten sprachlichen Minderheit können Französisch und Deutsch Amtssprachen sein.
4Der Kanton fördert die Verständigung, das gute Einvernehmen und den Austausch zwischen den kantonalen Sprachgemeinschaften.
5 Er fördert die Beziehungen zwischen den nationalen Sprachgemeinschaften, insbesondere zwischen der französisch- und deutschsprachigen Schweiz.

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