Kanton

Donnerstag 20. März 2003, Kanton


Grosser Rat soll die Richter wählen
Verfassungsrat beschliesst Schaffung eines Justizrates als Aufsichtsbehörde
In Zukunft soll der Grosse Rat alle Richter, auch jene der erstinstanzlichen Gerichte, wählen. Dies hat der Verfassungsrat am Mittwoch beschlossen. Ebenfalls für die Mitglieder des Justizrates ist er Wahlbehörde. Dessen Zusammensetzung ist allerdings von der Verfassung schon weitgehend vorbestimmt.
Von WALTER BUCHS
Im vergangenen Mai ist es bei der Behandlung der Thesen über die Richterwahlen im Verfassungsrat zu einem Eklat gekommen. Die Mehrheit des Plenums folgte dem SP-Antrag nicht, die Vorschläge über die Wahl und die Aufsicht der Gerichte an die Kommission zurückzuweisen. Daraufhin boykottierten die SP-Mitglieder im Rat die Beratung über diese Fragen.
In der Zwischenzeit ist die Sachbereichskommission unter dem Präsidium des Greyerzer Gerichtspräsidenten Philippe Vallet über die Bücher gegangen. «Die jetzigen Vorschläge der Kommission sind ein echter Fortschritt», stellte SP-Fraktionschef Alain Berset am Mittwoch im Verfassungsrat fest. Die SP werde diese jetzt in erster Lesung unterstützen.
Aufgaben der Aufsichtsbehörde
Dass der Kanton Freiburg in Zukunft einen Justizrat haben wird, war im Plenum wie bereits im vergangenen Jahr völlig unbestritten. Die Sozialdemokraten waren aber keineswegs damit einverstanden, dass diese neue Behörde sowohl Aufsichts- als auch Wahlkompetenzen für die gleichen Gremien hat. Im Gegensatz zum Vorentwurf hat die Kommission nun vorgeschlagen, dass der Justizrat die Bewerbungen für die Ämter der richterlichen Gewalt und der Staatsanwaltschaft lediglich begutachtet. Er hat sich dabei ausschliesslich auf die Ausbildung, die berufliche Erfahrung und die persönlichen Qualitäten der Kandidaten zu stützen.
Dies bedeutet, dass der Grosse Rat in Zukunft - auf Antrag des Justizrates - nicht bloss die Mitglieder des Kantonsgerichts und den Staatsanwalt wählt, sondern auch alle Richter der erstinstanzlichen Gerichte. Zur Diskussion Anlass gab dabei die Frage, wie verbindlich der Antrag des Justizrates ist. Allgemein wurde die Meinung vertreten, dass dieser keine Vorselektion vorzunehmen hat, sondern lediglich eine objektive Bewertung der Kandidaturen.
Welche Legitimität?
Die CSP vertrat die Meinung, dass der Grosse Rat wie bisher lediglich die Kantonsrichter und den Staatsanwalt wählen soll. Im Interesse der Entpolitisierung der Richterwahlen seien die Mitglieder der erstinstanzlichen Gerichte vom Justizrat zu wählen, wie Reinold Raemy, Tafers, im Namen seiner Fraktion argumentierte. Ein Parteienproporz in der ersten Instanz der richterlichen Gewalt sei nicht nötig, und die Wahl durch den unabhängigen Justizrat erhöhe deren Legitimität. Der Kommissionsvorschlag wurde aber dem CSP-Antrag klar vorgezogen.
Ein grosser Streitpunkt war weiter die Bestellung und die Zusammensetzung des Justizrates. Gemäss Vorentwurf hätte der Grosse Rat hiezu nichtszu sagen gehabt, weshalb die Legitimität dieses neuen Gremiums angezweifelt wurde. Die Kommission hatte deshalb neu vorgeschlagen, dass die Mitglieder des Justizrates formell vom Grossen Rat gewählt werden, dies auf Vorschlag jener Behörde oder Gruppe, welcher sie angehören. Diese Formulierung wurde klar gutgeheissen.
Zusammensetzung des Justizrates
Gemäss Vorentwurf der neuen Verfassung soll der Justizrat aus je einem Mitglied des Grossen Rates, des Staatsrates, des Kantonsgerichts, des Anwaltsverbandes, der Staatsanwaltschaft, der erstinstanzlichen Gerichtsbehörden und einem Rechtsprofessor der Universität Freiburg bestehen. Die SVP schlug vor, dass der Grosse Rat drei Mitglieder solle stellen können. Die Fraktion Öffnung brachte einen Vorschlag ein, gemäss dem die Zusammensetzung des Justizrates noch genauer in der Verfassung vorgeschrieben würde. Gemäss deren Sprecher Adolphe Gremaud würde mit dieser Formulierung die Unabhängigkeit von der Legislative und der Exekutive besser verwirklicht.
Einseitig oder ausgewogen?
Wenn der Grosse Rat schon die Mitglieder des Justizrates wählen soll, dann soll er auch tatsächlich frei bestimmen können, wen er wählen will, war hingegen die Meinung der CSP. Mit dem Kommissionsvorschlag sei die demokratische Legitimation des Justizrates ungenügend, und die Behörden, welche beaufsichtigt werden sollen, seien darin zu stark vertreten, stellte Reinold Raemy fest.
Die CSP schlug deshalb einen Artikel vor, mit lediglich folgendem Inhalt: «Der Justizrat besteht aus sieben Mitgliedern, die vom Grossen Rat gewählt werden.» Nach einer ausgiebigen Diskussion wurde der Kommissionsvorschlag aber in allen Punkten gutgeheissen, auch wenn zum Teil bemerkt wurde, dass ein reines Juristen-Gremium nicht die beste Lösung sei. Die meisten Fraktionssprecher machten geltend, dass es sich um einen hart erkämpften Kompromiss handle. Zudem trage der CSP-Vorschlag nicht zur gewünschten Entpolitisierung und grösseren Unabhängigkeit bei.


Für ein einziges Kantonsgericht
Nach Meinung des Verfassungsrates sollen das heutige Kantonsgericht, das sich mit der Straf- und Zivilpflege befasst, und das Verwaltungsgericht zu einer organischen Einheit zusammengefasst werden. Er hat am Mittwoch entsprechende Artikel des Verfassungsvorentwurfs gutgeheissen.
Im Plenum wurde dabei betont, dass diese Zusammenführung das Image des obersten Gerichts stärke sowie personelle und organisatorische Vorteile bringe. Das bedeute aber nicht, dass alle Einheiten des Gerichts am gleichen Ort angesiedelt sein müssen und deshalb ein Neubau notwendig werde.
Gegen Verfassungsgerichtshof
Hingegen hat der Verfassungsrat mit 81 zu 33 Stimmen einen SP-Antrag abgelehnt, der die Schaffung eines Verfassungsgerichtshofes zum Gegenstand hatte. Für die Fraktionssprecherin Anna Petrig, Freiburg, wäre dieser unter anderem ein Garant für die Einhaltung der Verfassung. Patrik Gruber (SP, Düdingen) ergänzte, dass auch der Grosse Rat in die Verfassungsmässigkeit eingebunden werden müsse. Das könnte durch einen Verfassungsgerichtshof sichergestellt werden. wb

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