Kanton

Samstag 30. November 2002, Kanton


Schaffung eines Obersten Justizrates
Staatsrat will Frage an den Verfassungsrat weiterleiten
Der Staatsrat wird dem Grossen Rat in Kürze ein Dekret zur Schaffung eines Obersten Justizrates unterbreiten. Gleichzeitig wünscht er aber, dass diese Frage dem Verfassungsrat weitergeleitet werde.
Von ARTHUR ZURKINDEN
Wer soll künftig die Richter wählen: das Volk, der Grosse Rat oder neu ein Oberster Justizrat? Sollen die Richter unter Aufsicht eines solchen Obersten Justizrates gestellt werden? Wie setzt sich dieser Justizrat zusammen? Dies sind Fragen, welche nach Ansicht des Staatsrates vom Verfassungsrat beantwortet werden sollten. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass der Staatsrat dem Kantonsparlament zwar ein Dekret zur Schaffung eines Obersten Justizrates unterbreitet, ihm jedoch gleichzeitig empfiehlt, nicht darauf einzutreten. Weil die Schaffung einer solchen Instanz mit einer Änderung der Kantonsverfassung verbun- den ist, müsste sich das Freiburger Stimmvolk an der Urne zu dieser Frage äussern, falls der Grosse Rat das Dekret dennoch annimmt.
Der Staatsrat muss dem Grossen Rat die Schaffung eines Obersten Justizrates unterbreiten, weil Letzterer am 20. Juni 2001 eine Motion von Charles-Antoine Hartmann (CVP, Freiburg) überwiesen hat. Der Präsident der ständigen Justizkommission will mit seinem Vorstoss erreichen, dass alle Richter der Aufsicht eines Obersten Justizrates unterstellt werden. Heute überwacht das Kantonsgericht die unteren Gerichtsbehörden. Das Kantonsgericht hat dem Grossen Rat alljährlich einen allgemeinen und ausführlichen Bericht über alle Zweige der Rechtspflege abzugeben.
Ganz unterschiedliche Auffassungen
Die heutige Regelung der Aufsicht über das Justizwesen gibt im Grossen Rat seit Jahren Anlass zu Kritik. Das Kantonsparlament sieht sich so nicht in der Lage, eine Kontrollfunktion auszuüben. Gerade im Zusammenhang mit den Justizaffären wurde dem Kantonsgericht vorgeworfen, seine Aufsichtspflichten nicht genügend wahrzunehmen.
Der Grosse Rat und die Freiburger Regierung sind sich mehr oder weniger einig, in der Schaffung eines Obersten Justizrates eine ideale Lösung zu finden. Allerdings ist der Staatsrat nicht so glücklich über die Formulierung des Verfassungstextes, wie er von Charles-Antoine Hartmann vorgeschlagen worden ist. Diese sei ungenau. Zudem erinnert der Staatsrat daran, dass sich auch der Verfassungsrat mit dieser Frage befasst, dieser aber bezüglich Platz dieses neuen Organs in der Verfassung eine andere Meinung vertrete. Nach den Vorstellungen von Charles-Antoine Hartmann sollte der Oberste Justizrat Teil der richterlichen Gewalt bilden, sodass die drei Gewalten (Legislative, Exekutive, Judikative) keine Änderung erfahren würden. Die Verfassungsräte hingegen befürworten die Schaffung eines höher gestellten spezifischen Organes ausserhalb der drei traditionellen Staatsgewalten (Parlament, Regierung, Justiz) mit umfassenden Entscheid- und Aufsichtskompetenzen im Justizbereich. Bekanntlich gehen aber die Meinungen im Verfassungsrat auch auseinander, hat doch die SP-Fraktion während der Grundsatzdiskussion über diesen Rat den Ratssaal aus Protest verlassen.
Staatsrat für Version des Verfassungsrates
In der Botschaft zum Dekret hält der Staatsrat nun fest, dass er insbesondere den Vorschlag des Verfassungsrates befürworte, die direkte Aufsicht über die Kantonsgerichte dem Obersten Justizrat anzuvertrauen. Ebenso teilt er die Ansicht, dass die Aufsicht über die unteren Gerichte an das Kantonsgericht delegiert werden könnte, um den Obersten Justizrat zu entlasten. «Des Weiteren wird auch der Vorschlag gutgeheissen, den Obersten Justizrat als eine von der Justiz unabhängige Behörde auszugestalten, wie dies auch in andern europäischen Ländern der Fall ist. Diese Unabhängigkeit stärkt die Aufsicht über die Justizbehörden, welche in den letzten Jahren immer häufiger der Kritik ausgesetzt waren», schreibt der Staatsrat.
Die Wahl der erstinstanzlichen Richter hingegen sollte nach Ansicht der Freiburger Regierung nicht dem Obersten Justizrat anvertraut werden. Sie befürwortet indessen die Wahl der Richter durch das Volk, wie dies in zwanzig Kantonen praktiziert werde. Weiter kann sich der Staatsrat nicht vorstellen, dass dem Obersten Justizrat bei einer Wahl der Richter durch den Grossen Rat oder durch das Volk die Kompetenz zustünde, im Rahmen einer Vorprüfung bereits Kandidaten endgültig von der Wahl auszuschliessen. Vielmehr sollte der Oberste Justizrat hier lediglich eine vorgängige Stellungnahme abgeben können.
Heute werden die Kantonsrichter durch den Grossen Rat, die andern Richter durch das Wahlkollegium (Staatsrat und Kantonsgericht in gemeinsamer Sitzung) gewählt.

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