Kanton

Freitag 22. Februar 2002, Kanton


Kantonalisierung verworfen
Verfassungsrat wehrt sich gegen den Abbau der Gemeindeautonomie
Weder die Finanzierung der Sozialhilfe noch der Grundausbildung sollen künftig im Kanton Freiburg vollumfänglich zu Lasten des Staates gehen. Entsprechende Vorschläge hat die verfassungsgebende Behörde am Donnerstag jeweils deutlich abgelehnt.
Von WALTER BUCHS
Am zweiten Tag der Februar-Session hat sich der Verfassungsrat gestern mit Thesen befasst, welche den Verkehr, die Staatsaufgaben gegenüber dem Individuum und den Ausländern, die Erziehung und Ausbildung sowie Kultur und Sport betreffen. Von den dreissig Vorschlägen der Sachbereichskommission wurden deren zwanzig unverändert übernommen.
Die im Bereich Verkehr und Telekommunikation gutgeheissene These überträgt dem Kanton die Aufgabe, eine koordinierte Politik unter Berücksichtigung der Randgebiete sicherzustellen. Abgelehnt wurden hingegen Anträge, welche den Staat darüber hinaus verpflichten wollten, für ein ausreichendes Angebot zu sorgen.
Kostensenkung dank Kantonalisierung?
Bei den Aufgaben, welche der Staat Einzelpersonen gegenüber wahrzunehmen hat, hatte die Kommission vorgeschlagen, die Finanzierung der Sozialhilfe zu kantonalisieren. Kommissionspräsident Adolphe Gremaud (Öffnung), Freiburg, betonte, dass die regionalen Dienste beibehalten blieben. Für Erika Schnyder (SP), Villars-sur-Glâne, würde damit der «Sozialhilfe-Tourismus» eingeschränkt, was schliesslich auch zu einer Kostensenkung führen würde. Trotzdem wurde dieser Vorschlag mit 64:44 Stimmen abgelehnt.
Problemlos wurden hingegen Thesen verabschiedet, welche Kanton und Gemeinden verpflichten, «jedem Einwohner die Bedingungen für ein Leben in Würde zu sichern», und zur Eindämmung der sozialen und beruflichen Ausgrenzung Wiedereingliederungsmassnahmen zu fördern. Zudem soll der Staat Massnahmen zum Schutz und zur Information der Konsumenten treffen. Eine Kopplung mit dem Mieterschutz wurde abgelehnt.
Kein Recht auf Einbürgerung
Auch im Bereich der Einbürgerung machte sich der Verfassungsrat für die Beibehaltung von Gemeinderechten stark. Zusätzlich zu den Vorschlägen der Kommission, die Zustimmung fanden, hatte die SP-Fraktion eine These vorgeschlagen, welche Kanton und Gemeinden verpflichten würden, Ausländern das Bürgerrecht zu verleihen, «wenn die im übergeordneten Recht festgelegten Bedingungen erfüllt sind». Damit sollte «willkürlichen Entscheiden» in den Gemeinden entgegengewirkt werden. Dagegen wurde eingewendet, dass auf diese Weise auf Kantons- und Gemeindeebene Rechte eingeschränkt würden, weshalb die These mit 69:36 Stimmen abgelehnt wurde. Ausdrücklich soll der Staat die humanitäre Hilfe fördern.
Bei den Thesen zum Thema «Ausbildung» war sich der Verfassungsrat einig, dass jedes Kind ein Recht auf Schulbildung hat, dass der Kanton dabei Massnahmen zur Chancengleichheit ergreifen muss und die öffentliche und kostenlose Grundausbildung (inkl. Kindergarten) sicherstellt, wobei lange über die Stellung des Kindergartens diskutiert wurde.
Hingegen wurde ein Vorschlag der SP-Fraktion, welche die Kosten der Grundausbildung ausschliesslich dem Kanton anlasten wollte, mit 68:33 abgelehnt. Hingegen wurden Bestimmungen, wonach die Schule die persönliche Entwicklung und die soziale Integration der Kinder fördert und die Eltern in der Erziehungsaufgabe unterstützt, klar gutgeheissen. Lange wurde anschliessend über die Grundhaltung der Schule debattiert (siehe Artikel nebenan).
In weiteren Thesen wurde die Bedeutung der Weiter- und Erwachsenenbildung sowie der wissenschaftlichen Forschung hervorgehoben. Schliesslich wurden Vorschläge zur Förderung von Kultur, künstlerischem Schaffen, Erholung und Sport verabschiedet. Die Kommission setzte sich dabei jeweils mit ihren Anträgen durch.

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