Kanton

Mittwoch 12. September 2001, Kanton


Anerkennung und Ansporn
Wirken des Vereins «Lesen und Schreiben» gewürdigt
Acht Institutionen haben sich für den diesjährigen Förderpreis für Erwachsenenbildung beworben. Ausgezeichnet wurde nun der Verein «Lesen und Schreiben» für seinen Einsatz gegen den Illetrismus.

Früher bezeichnete man die Lese- und Schreibschwäche als funktionalen Analphabetismus, heute gilt der Begriff Illetrismus. «Wir leben in der Illusion, dass alle auf dem gleichen Niveau der Sprachfertigkeit stehen», erklärte Erziehungsdirektor Macheret in seiner Festansprache am Montagabend.
Er rief dabei in Erinnerung, dass eine Minderheit von 13 bis 19 Prozent der Bevölkerung in den Industriestaaten durch die Maschen der Bildungsbemühungen fallen. Für diese Erwachsenen, die kleinere oder grössere Bildungslücken aufweisen, in ihrer Schulzeit nur mangelhafte Lese- und Schreibkenntnisse erwarben und sie in ihrer Berufsausübung nie mehr brauchten, sind die Kurse der Vereinigung «Lesen und Schreiben» ein Segen.
Man schämt sich, seine Schwächen zu offenbaren
Willy Petrig, einer der Mitbegründer der deutschsprachigen Sektion, ist sich mit der Koordinatorin Stefanie Pürro darin einig, dass eines der grossen Probleme in der Bekämpfung des Illetrismus die Vertuschung der Schwäche ist. Mit viel Aufwand wird oft versucht, vor Kollegen, Ämtern und Arbeitgebern seine Defizite zu kaschieren. Deshalb gehören die Förderung und Stärkung der Selbst- und Sozialkompetenzen der Kursteilnehmer genauso zum Bildungsauftrag von «Lesen und Schreiben» wie das Nachholen und Festigen von Lese- und Schreibkompetenzen.
In den vergangenen zehn Jahren besuchten allein in der deutschen Sektion schon mehr als 350 Erwachsene im Alter von 20 bis 62 Jahren die Kurse im Sensebezirk. Waren es zu Beginn mehrheitlich Frauen, so besuchten in Folge der grossen Arbeitslosigkeit auch immer mehr Männer den Gruppenunterricht.
Bedürfnisorientiertes Lernen
Das bedürfnisorientierte Lernen steht gemäss Stefanie Pürro im Zentrum der Bemühungen. Genau gleich wie die französische Sektion «Lire et écrire» wird mit jedem Interessenten ein Beratungsgespräch geführt, ein individuelles Programm erstellt und in Kleingruppen von höchstens acht Personen gearbeitet. Ein intensiver Kontakt zum Verfassungsrat wird gepflegt, um das Recht auf den Zugang zur Nachholbildung in die Verfassung aufzunehmen.
Die Verleihung des Förderpreises für Erwachsenenbildung ist für den Verein eine Anerkennung und ein Ansporn zugleich, in seinen Bemühungen nicht nachzulassen, für Erwachsene Nachholbildung anzubieten. ess

Die deutsche und französischsprachige Sektion des Vereins Lesen und Schreiben/Lire et écrire bietet Kurse in Freiburg, Bulle, Romont, Estavayer-le-Lac und Düdingen an.
Kurse in deutscher Sprache finden statt am Montagabend in Freiburg, Berufsschulzentrum 19.30-21.45, Montagabend in Düdingen in der OS, 19.30-21.45, Dienstagmittag in Düdingen, Begegnungszentrum 13.30-15.45, Mittwochabend in Düdingen in der OS, 19.30-21.45
Anmeldungen bei Stefanie Pürro, Telefon 079/488 21 76.

Zurück