Kanton

Samstag 19. Mai 2001, Kanton


Nur Staat sichert Chancengleichheit
SP fordert verfassungsmässige Garantien für den «Service public»
Die neue Kantonsverfassung soll einige Grundprinzipien enthalten, die dem Staat vorgeben, der Öffentlichkeit qualitativ hoch stehende Dienstleistungen anzubieten. Dies verlangt die SP-Fraktion des Verfassungsrates.

Die Diskussion über den «Service public», über die wichtigen Dienstleistungen, welche der Staat zu Gunsten seiner Bürger anzubieten hat, sind seit Jahren von höchster Aktualität. Die Marktöffnung in verschiedenen Bereichen wie Strom, Post, Telekommunikation erhitzen die Gemüter. Im Kanton Freiburg sind es die Fusion von GFM und TF sowie die bevorstehende Abstimmung über die Änderung der Rechtsform der Freiburgischen Elektrizitätswerke.
Positionspapier der SP
Die Diskussion über die damit zusammenhängenden Fragen darf aber nicht den Launen der jeweiligen Zeit überlassen werden. In dieser Überzeugung hat eine Arbeitsgruppe der SP-Fraktion des Verfassungsrates ein Dokument zum «Service public» ausgearbeitet. Deren Präsident Christian Levrat und der Fraktionsvorsitzende Alain Berset haben am Freitag das Dokument vorgestellt.
Leitlinien
Sie vertreten die Meinung, dass in der neuen Kantonsverfassung die Erhaltung der öffentlichen Dienste festgeschrieben werden muss. Die Sozialdemokraten im Verfassungsrat fordern den Kanton dabei auf, seinen Handlungsspielraum in den kritischen Bereichen der Energie- und Postpolitik, sowie auf dem Gebiet der Telekommunikation und des Verkehrs maximal auszunützen. Gleichzeitig wird die Gele- genheit wahrgenommen, daran zu erinnern, dass sich die SP einer Abgabe eines wichtigen Teils der staatlichen Kontrolle über die Freiburgischen Elektrizitätswerke widersetzt.
Die Sozialdemokraten schlagen vor, drei Grundprinzipien in die neue Verfassung aufzunehmen. Erstens solle der Staat jene Leistungen gewährleisten, die von den Bürgerinnen und Bürgern nicht nach Belieben genutzt oder eben abgelehnt werden können, weil sie für deren soziale Entfaltung notwendig sind. Dazu wird festgestellt, dass weder der Markt, noch das System der vom Bund im Bereich des Verkehrs und der Telekommunikation praktizierten Konzession die Gleichberechtigung aller Bürger, unabhängig von Wohnort und Vermögen, sicherstellen.
Nach Meinung der SP sollte sich der Kanton zweitens weigern, solchen Praktiken Vorschub zu leisten, und sich bemühen, die bedrohliche Ungleichheit, die von Seiten der Bundesbehörden eingeführt wird, zu korrigieren. Der Kanton solle auch in der Lage sein, dort, wo das Bundesgesetz eine Liberalisierung des Marktes vorsehe, der Bevölkerung die unentbehrlichen Dienstleistungen anzubieten. Der Staat solle nicht bloss den Polizisten des Marktes spielen, sondern aus eigenem Antrieb die Chancengleichheit sicherstellen, gerade auch für die Leute, die in Randgebieten wohnen.
Geschäftsprüfungskommission im Grossen Rat vorgeschlagen
Das 15 Seiten lange Dokument befasst sich ebenfalls mit der Zentralverwaltung des Kantons. Dabei wird drittens angeregt, dass die Kantonsbehörden bei den rein administrativen Aufgaben über einen erweiterten Handlungsspielraum verfügen sollten. Dagegen sollte die politische Kontrolle über die Dienste verstärkt werden, welche der Exekutive und dem Parlament zur Verfügung stehen.
Nach Meinung der SP sind diese in hohem Masse Ursache des gegenwärtigen Ungleichgewichts «zwischen einer allmächtigen Regierung, gestützt von einer leistungsfähigen Administration, und einem Milizparlament, dem seinerseits die Mittel fehlen, seine Rolle als Überwacher zu erfüllen». Deshalb wird die Bildung einer Geschäftsprüfungskommission im Grossen Rat verlangt, deren Wirksamkeit sich am Bundesmodell orientieren solle. wb
Dokumente zu zehn Themen
Wie Alain Berset, Vorsitzender der SP-Fraktion im Verfassungsrat, gestern bekannt gab, sind innerhalb seiner Gruppe zehn Arbeitsgruppen bereits seit einigen Monaten an der Arbeit. Sie behandeln je ein bestimmtes Thema, verfassen dazu ein Dokument. Dieses werde jeweils von der Fraktion behandelt und als offizielle Position verabschiedet. Diese Arbeit sei nun bald beendet.
Wie sein Fraktionskollege Christian Levrat feststellte, scheinen die Sozialdemokraten bei der internen Grundsatzdiskussion offenbar ziemlich allein dazustehen. Er habe wenigstens keine Kenntnis davon, dass dies andere Fraktionen auch so handhaben. Wäre dies aber der Fall, sollten diese die Ergebnisse ihrer Arbeit ebenfalls veröffentlichen. Dies könne der Debatte nur gut tun. wb

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