Kanton

Mittwoch 29. November 2000, Kanton


Kommt ein oberster Justizrat?
Motion schlägt Verfassungsrevision vor
Die Oberaufsicht über den Richterstand soll von einem neuen Organ, einem obersten Justizrat, wahrgenommen werden. Angesichts der Schwierigkeiten, die bei der Überwachung des Justizapparates geortet wurden, schlägt Grossrat Charles-Antoine Hartmann in einem Vorstoss schnelles Handeln vor.
Die kantonale Justizkommission, der der CVP-Grossrat Hartmann vorsteht, war in den letzten Monaten bei der Untersuchung über die Funktionsweise des Justizapparates ebenfalls stark beansprucht und herausgefordert. Nun schlägt deren Präsident mit einer Motion, die von den anderen Kommissionsmitgliedern mitunterzeichnet wird, vor, möglichst schnell institutionelle Konsequenzen zu ziehen.
Andere Kantone wie Genf und Tessin haben die Oberaufsicht über die Justiz einem «Obersten Justizrat» anvertraut. Nach Gesprächen mit der zuständigen Person im Kanton Genf ist die Freiburger Justizkommission überzeugt, dass die Oberaufsicht über die Gerichte unter Wahrung ihrer Unabhängigkeit damit wesentlich verbessert werden könnte.
Nicht auf den Verfassungsrat warten
Für die Einsetzung dieses neuen Organs schlägt die Motion Hartmann, deren Begründung soeben veröffentlicht wurde, eine Verfassungsänderung vor. Nach Meinung des Motionärs soll nicht auf die Totalrevision der Verfassung gewartet werden. Vielmehr solle möglichst schnell eine Teilrevision eingeleitet werden.
Charles-Antoine Hartmann ruft in seinen Ausführungen in Erinnerung, dass die geltende Verfassung die Oberaufsicht über das Verwaltungsgericht durch den Grossen Rat ausdrücklich erwähne. Jene des Kantonsgerichts aber nicht. Es wird lediglich gesagt, dass Letzteres dem Grossen Rat einen «ausführlichen Bericht über alle Zweige der Rechtspflege» vorzulegen hat. Dies komme zwar einer Oberaufsicht gleich, sei aber sehr beschränkt.
Geltende Regelung unbefriedigend
Der Motionär macht darauf aufmerksam, dass das Gutachten Piquerez/Cornu über die Führung der Strafuntersuchung gezeigt habe, wie schwierig es heute für den Grossen Rat und seine Spezialkommission ist, die ihnen in diesem Bereich zugedachten Aufgaben wahrzunehmen. Das heutige System erwecke den Eindruck, dass sich bei der Berücksichtigung des Prinzips der Gewaltentrennung die obersten Richter nur gegenseitig überwachen kön-nen.
Der mit der Motion vorgeschlagene «Oberste Justizrat», der sich als Kommission konstituieren würde, wäre integrierender Bestandteil der Justiz. Auch wenn seine Kompetenzen im Spezialgesetz weiter gefasst wären als jene der heutigen Aufsichtsbehörde, gäbe es somit keine Probleme mit der Gewaltentrennung. Trotzdem sollte das neue Organ, das nicht nur aus Juristen bestehen sollte, verpflichtet werden, dem Grossen Rat Bericht zu erstatten. Es werden keine grossen Zusatzkosten erwartet, da die Logistik vom Kantonsgericht sicherzustellen wäre. wb

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