Denis Clerc (1935), sozialdemokratisch
Nach dem Besuch des Kollegiums St. Michael, das er mit der Matura abschliesst, studiert er Geisteswissenschaften an der Universität Freiburg, wo insbesondere der Schriftsteller Pierre-Henri Simon, zukünftiges Mitglied der französischen Akademie, lehrt. 1959 legt er sein Lizentiat ab.
Clerc schreibt, gleichzeitig arbeitend, seine Doktorarbeit über Albert Béguin, Literaturkritiker und Leiter der Zeitschrift Esprit (1965). Er unterrichtet klassische Literatur am Gymnasium in Romont und am Kollegium St. Michael in Freiburg und arbeitet ein Jahr lang in einem Verlagshaus in Mailand. Nach seiner Rückkehr 1966 interessiert er sich für die Politik in einem Kanton, der aus einer hundertjährigen, vom konservativen Regime auferlegten Lethargie erwacht. Entgegen der Familientradition tritt er der Sozialdemokratischen Partei bei. Er wird deren politischer Sekretär und einer der Redaktoren des freiburgischen Parteiorgans Travail.
Clerc wird aufgrund seiner Aktivitäten zum Kandidaten für den Grossen Rat und für den Staatsrat aufgestellt. Er wird in den kantonalen Wahlen von Ende 1971 in den einen wie in den anderen Rat gewählt. Mit Jean Riesen gehört er zu den beiden ersten Sozialdemokraten in der Regierung. Zunächst leitet er die Polizei- und Gesundheitsdirektion, um nach einer internen Reorganisation Vorsteher der Gesundheits- und Sozialfürsorgedirektion zu werden. Er hat gegen die erklärte Gegnerschaft der Ärztegesellschaft zu kämpfen, die sich jeder institutionellen Beziehung mit dem Staat und den Krankenkassen widersetzt. 1976 verliert er seinen Sitz ganz knapp (235 Stimmen weniger als der Freisinnige Hans Bächler). Von 1978 bis 1982 präsidiert er die kantonale Sozialdemokratische Partei und unterrichtet zugleich am Institut de français moderne der Universität Freiburg. Die Partei gewinnt 1978 die Gemeindewahlen in der Stadt Freiburg und anschliessend die eidgenössischen Wahlen von 1979 (bestes Ergebnis der SP bei Nationalratswahlen mit 30,7 % und dem Einzug Otto Pillers in den Ständerat). Unter seiner Leitung lanciert die SP Freiburg eine Initiative für die Volkswahl der Staatsräte, die mehr als 40 % der Stimmen erhält, gegen einen Gegenentwurf, der die Vertretung einer Partei, die im Grossen Rat keine Mehrheit hat, beschränken wollte.
Als einzige Person seit der Einführung der Volkswahl der Staatsräte wird er 1981 wiedergewählt und kehrt auf «seine» Stelle an der Spitze der Gesundheits- und Sozialfürsorgedirektion zurück. Er tritt 1991 als Staatsrat zurück. Da er mit dem linken Flügel seiner Partei im Konflikt steht, tritt er 1989 auch aus der SP Freiburg aus.
«Meine politische Aktion ist durch den Willen gekennzeichnet, dem augenblicklichen politischen Regime ein Ende zu bereiten.» Denis Clerc und die erneuerte SP Freiburg «bringen die Politik vom Himmel auf die Erde». Die Verantwortung für den Gesundheits- und Sozialbereich, der bisher einzig auf die Unterstützung durch Kindesliebe und private Wohltätigkeit hoffen konnte, gibt ihm die Gelegenheit, den Staat auf gesetzliche Weise für Gerechtigkeit und institutionelle Solidarität zwischen den Individuen sorgen zu lassen. So bringt er zahlreiche neue oder totalrevidierte Gesetze durch, die den «Freiburger Sozialstaat» schaffen: Krankenversicherung (1982), Spitäler (1983), Sonderheime für Behinderte oder Schwererziehbare (1986), Familienzulagen (1976, 1990), Sozialhilfe (1991) und Mutterschaftszulagen (1991).
Schliesslich lanciert er 1989 mit MEDIPLAN die Reorganisation der Spitäler, indem er vorschlägt, die Akutpflege auf drei öffentliche Einrichtungen zu konzentrieren. Dies führt zu heftigem Widerstand in den Regionen, der sich rasch der Logik und Notwendigkeit beugen muss. Dank des Gesetzes von 1982 werden zwischen 1981 und 1992 insgesamt 55 Altersheime renoviert oder neu gebaut. Das Gleiche gilt für die Sonderheime für Behinderte oder Schwererziehbare. 1983 schafft er im Rahmen des Psychosozialen Zentrums den ersten Familienplanungsdienst. 1974 wird das Wasserschutzgesetz nach langen parlamentarischen Debatten verabschiedet.
Diese im Sturmschritt durchgeführten Aktionen, deren Zweckmässigkeit und Segnungen heute unbestritten sind, bringen ihm politische Feinde ein, zumal er wenig Rücksicht nimmt. So geben ihm 1988 bei der Wahl zum Staatsratspräsidenten nur 50 Grossräte die Stimme. Der christdemokratische Präsident des Grossen Rats empfindet das Bedürfnis, sich dafür in der Sitzung zu entschuldigen. Auch innerhalb seiner Partei regt sich gegen Denis Clerc, der mit seinen Kollegen Morel, Riesen und ein paar anderen eine vom Mitterandschen Modell des «Bruchs mit dem Kapitalismus» inspirierte Tendenz bekämpft, zunehmend Widerstand, der schliesslich zu seinem Parteiaustritt führt.
Nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsrat (1991) kämpft Denis Clerc in der Communauté romande du pays de Fribourg für die strikte Anwendung des Territorialitätsprinzips im Sprachbereich, zu dessen Aufnahme in die Kantonsverfassung er beigetragen hatte. Mit seinem Kollegen Morel und dem Richter Curty kritisiert er die Wahl von zwei neuen deutschsprachigen Richtern in das Bezirksgericht Saane (29. November 1990). Ein Entwurf zur Revision des Schulgesetzes, der seiner Meinung nach das Territorialitätsprinzip verletzt, wird 2000 vom Volk abgelehnt; von fast allen politischen Kreisen befürwortet, war der Entwurf vom Lehrkörper bekämpft worden. Als bissiger und ironischer Chronist hat sich Denis Clerc nicht vollständig aus der Politik verabschiedet und meldet sich regelmässig in einer Kolumne der Liberté zu Wort. Seine Memoiren tragen den Titel «Les lacets rouges» (2007).
Denis Clerc stirbt am 7. April 2012 im Alter von 76 Jahren in Freiburg.
Aus dem Französischen übersetzt, aus: «LE CONSEIL D'ETAT FRIBOURGEOIS – 1848 – 2011 – Son histoire, son organisation, ses membres» ¦ ISBN: 978-288355-153-4 ¦ Editions La Sarine