Für den Fahnenkundler und den Heraldiker ist diese Fahne «von Schwarz und Weiss geteilt», aber auf jeden Fall gibt es rund um ihre Farben eine Fabel.
Berchtold IV. von Zähringen war ein leidenschaftlicher Jäger. Er kehrte nicht gern ohne Beute zurück und legte oft lange Distanzen zurück, mit allen damit verbundenen Risiken. Bei einer seiner berühmten Jagdpartien wurde der Herzog vom Einbruch der Nacht überrascht. Er bewahrte einen kühlen Kopf und suchte einen Ort, an dem er die Nacht verbringen konnte. Er wurde von einem Köhler aufgenommen, und dieser bot ihm neben Unterkunft und Essen auch zwei Säcke als Decken an. Laut der Legende war einer der beiden Säcke ein gebrauchter Kohlensack und der andere ein gebrauchter Mehlsack.
Berchtold blieb die Nacht durch so bedeckt. Am frühen Morgen, als der Herzog erwachte, bemerkte er, dass eines seiner Kleide schwarz und das andere weiss geworden war. Als er dies sah, beschloss er, diese Farben dem Land zuzuerkennen.
Damit die Freiburger Farben stolz über dem Rathaus wehen können, braucht die Weibelin des Parlaments alle Kraft und allen Mut. Manuella Grosset weiss das sehr wohl, denn jeden ersten Sessionstag muss sie die Treppen des Gebäudes hochsteigen, die letzten Stockwerke hinaufklettern und erklimmen, damit sie den Mast, an dem die Fahne befestigt wird, erreicht. Sie kennt das Entfalten des Stoffs, die Befestigung an der Stange aus dem Effeff. Mit Muskelkraft wird die Fahne gehisst und kündigt den Freiburger Bürgerinnen und Bürgern die bevorstehende Ankunft der Mitglieder des Grossen Rats an.
Von ihrer Stange aus kann Manuella auch die Aussicht geniessen: die Erhabenheit der Hauptstadt des Saanebezirks, den Horizont im Hintergrund, der niemanden unberührt lässt.
Die Fahne erwacht ob dem Geräusch der Schritte, die langsam in den Hof des Rathauses einmarschieren. In kleinen Gruppen treten die Mitglieder des Grossen Rats durch die Türe, und sie sind fest entschlossen, ihre Stimmen im Parlament zu erheben, um Standpunkte und Vorstösse, die sie wochen-, ja monatelang vorbereitet haben, zu verteidigen.
Kommen Sie auch und nehmen Sie im Publikum an einer Session teil, spüren Sie den mystischen Effekt des Grossratssaals und erleben Sie die Politik anders. Wenn Sie mitten in den Debatten sitzen, verstehen Sie auch, um was es dabei geht, erleben Sie die erste Gewalt im Kanton hautnah. Die Politik zu verstehen, ist etwas berauschend, bedeutet die Trunkenheit des Bürgers, der sich seiner Region, seinen Vertretern im Parlament und ihren Entscheiden nahe fühlt. Das Leben des Grossen Rates wird durch acht jährliche Sessionen bestimmt; an diesen Daten wird über die Zukunft des Kantons Freiburg entschieden.
Die Fahne über dem Rathaus wird nicht nur während der Sessionen gehisst. Sie taucht auch am 1. August, dem Nationalfeiertag, an Fronleichnam oder auf besonderes Ersuchen der Staatskanzlei auf. Sie wird beim Hinschied des Präsidenten des Grossen Rates auf Halbmast gesetzt.